
Alter. Ein ganz eigenes Thema, oder?
Was mich dabei am meisten beschäftigt, vor allem im Berufsleben: Wann ist dieser Punkt, wo man von „zu jung, unerfahren und daher nicht kompetent“ zu „zu alt, eingefahren und daher nicht kompetent“ wechselt?
Die Phase dazwischen habe ich persönlich wohl irgendwie verpasst.
Oder übersehen.
Oder es gibt sie nicht.
Dabei ist diese Phase so wichtig. Für eine produktiv-positive Zusammenarbeit verschiedener Generationen. Denn eigentlich ist der Mix aus unverfroren an die Dinge herangehen weil noch keine blutige Nase geschlagen mit Wissens- und Erfahrungswerten auf Basis von absolvierter Lehr- und Lebenszeit so genial. In meinen Augen die optimale Chance, sich wirklich weiterzuentwickeln – noch nicht müde, aber auch nicht wieder von Null beginnend.
Das beständige Rebellieren gegen „Alt“ und das beständige Ignorieren von „Jung“ hält uns viel zu lange auf. Wir stehen uns im Weg. Es mangelt an gegenseitigem Respekt. Wir kommen nicht weiter. Statt aus Fehlern zu lernen und auf einem höheren Wissensniveau mit Motivation und Schwung weiterzumachen, verheddern wir uns in rückwärts gerichteten Machtkämpfen.
<insert ‘Stoßseufzer’ here>
Es gibt ein ganz interessantes Buch zum Generationswechsel, nennt sich » The Fourth Turning. Wir wurden in der Vorlesung „Systematisches Innovieren“ darauf aufmerksam gemacht. Habe es gekauft und gelesen. Ist interessant. Für meine eigene Person nicht ganz zutreffend, da ich bei meinen Großeltern aufgewachsen bin, und damit das grundlegende Prinzip des Generationswechsels etwas aus dem Konzept gebracht wurde. Ich habe meine Elterngeneration nicht direkt erlebt. Nicht in diesem prägenden Sinne des Generationswechsels. Daher ticke ich vermutlich auch etwas anders. Eine Lese-Empfehlung kann ich dennoch aussprechen.
Und es gibt da den sympathischen Ausdruck der » Perennials (im verlinkten Artikel von Jean Garboden beschrieben, ursprünglich geprägt von » Gina Pell; sorry wegen des Sprachwechsels von DE zu EN).
Ich mag diesen Wort-Einsatz sehr gerne, sehe mich auch selbst so – übergreifend denken und agieren können, mit einem leichten Schmunzeln wegen der Unterschiede, aber immer mit Respekt und Offenheit. Alter ist ja eigentlich eine Form der Kultur – und nachdem ich mich mit Memetik & Spiral Dynamics auseinandersetze, das Moderationsprinzip POACH* entwickelt habe … naja, es ist einfach nur logisch, dass ich mit der Definition des „Perennial“ viel anfangen kann.
Ich nutze meinen biologischen Vorsprung gerne, ich mag ihn. Jetzt mit knapp 50 bin ich in einer sehr spannenden Phase – Klimakterium** hin oder her. Man sieht Schwierigkeiten und Stolpersteine viel entspannter, weil man weiß, mit wie viel man fertig werden kann. Und wenn man es schafft, neugierig und offen bleiben, wird man fast unschlagbar. Wie eine … richtig gute Kampfsportlerin. Keine unnötigen Bewegungen, keine unnötige Aggression, aber auch nicht unterbuttern lassen.
Wo mir das Klimakterium schon einen leichten Strich durch die Rechnung macht – ich bin wieder ungeduldiger geworden. Wie damals als Teenager. Langatmiges Erklären warum ich was wie mache, statt auf Basis des biologischen Vorsprungs ein bisschen Vorschusslorbeeren nutzen zu können … ach, es nervt einfach. Ich hatte ja Zeit, mir Wissen anzueignen und meine Meinung und meinen Arbeitsstil darauf basierend zu bilden. Könnt‘ ma das bitte honorieren und auf Splainen verzichten? Wäre echt angenehm, liebe Gleichaltrige!
<insert ‘freundliches_Lächeln’ here>
Und ich arbeite sehr gerne mit den Leuten in der 20er- und 30er-Dekade zusammen. Wenn man das tun kann, geht so viel weiter, es ist phänomenal. Zur Entspannung setze ich mich dann mit Menschen in der 70er- und 80er-Dekade zusammen. Bei den lässigen Vertreter*innen dieser Dekaden ist jedes Imponiergehabe weg, es gibt keine Profilierungszwänge mehr, reines Mentoring ist möglich. So genial. Dafür bin ich selbst noch etwas zu unentspannt (siehe Klimakterium und Ungeduld) – das wird erst. Braucht ja alles seine Zeit und Entwicklung, und das soll auch sein dürfen.
Diese Generationen-Rangelei geht mir somit ganz grundsätzlich gegen den Strich – in Hinsicht auf die Klimakrise aber dann so richtig. Wir brauchen den Schwung rund um Greta Thunberg, damit wir endlich politisch und wirtschaftlich in die Gänge kommen. Ohne Druck bewegt sich da einfach nix, hat man ja in den letzten Jahrzehnten gesehen. Wir brauchen aber auch das Wissen, das es schon gibt. Und das kommt durchwegs von Vordenker*innen, die aus meiner Generation und der Generation davor stammen. Die Kombination ist es, die uns Homo SAPIENS tatsächlich weise machen kann.
Ich persönlich war lange der Meinung, wir brauchen „nur“ die Technologie und dann passt das. So in den 80er und 90er Jahren, als Teenager bzw. Twen. Stellte sich raus – das war ein Trugschluss. Ärgert mich gröber. Die Technologien sind da, super geniale Lösungen, aber wir nehmen sie nicht …. weil … wir nicht wollen. Weil wir „Change“ erst dann angehen, wenn es gar nimmer anders geht. Beim Klima ist das ein tödliches Spiel, und NEIN, das ist keine Übertreibung, sondern ganz pragmatischer Fakt.
Außerdem … statt Monopol-Lösungen ist Diversifikation gefragt. Aber das machen wir nicht so gerne, oder? Sieht man ja sogar jetzt in der IT … es gibt ein paar große Konzerne, die schupfen alles, und der Rest … wird aufgekauft.
Yikes. Yikes. Yikes. Manchmal verlässt mich mein angeborener Optimismus fast – aber immer nur fast. Weitermachen!
*POACH … politeness, openness, authority, composure, humour … die Stützen der guten Moderation. Immer höflich, stets offen, mit Durchsetzungskraft, Gelassenheit und Humor.
**Als Frau ist das für mich einfach Thema, und statt es zu stigmatisieren sollte man damit einfach umgehen können – sachlich, ohne Hysterie.